Es wird keine große Hilfe sein, aber ich schließe mich mit meinem Anliegen diesem Eintrag an, es ist einfach eine ziemlich klassische Situation, soviel ich weiß, und eine unbefriedigende:
Titel: Krebs, oder?
Ich bin ein 50+ Jahre alter Mann und bei einer US-Routineuntersuchung wurde ein "kalter" Knoten an der Schilddrüse gefunden. Die folgenden Untersuchungen brachten diesen Befund: 2x3 cm, rechts, echoarm, scharfbegrenzt, Tastbefund unauffällig MIBI-Szintigraphie: unauffällige Aktivitätsanreicherung beiderseits Calcitonin Basis: normal Ca-Stimulation: ca. 500 pg/mL Feinnadelpunktion: Zusammenfassung (Ausstrich): Auffälliges Zellbild, ein papilläres Schilddrüsenkarzinom ist gut möglich - histologische Abklärung empfohlen. Zusammenfassung (Aspiration): Unklares Zellbild. Alle anderen Schilddrüsenwerte normal, keinerlei Symptome. Therapieempfehlung: Strumektomie
So weit IMHO alles lege artis, entspricht AFAIK den Richtlinien. Der Ca-Stimulationswert passt nicht ins Bild, aber so etwas soll vorkommen, die Spezifität der Methode lässt zu wünschen übrig.
Es folgte die Aufklärung über die Operation, eine folgende Radiojodbehandlung und die Hormonersatztherapie. Man wies mich auf die Vorzüge des intraoperativen Gefrierschnitts hin, aber das Ergebnis würde gar keinen Unterschied machen. "Etwas Anderes als eine totale Entfernung bekommen Sie von mir gar nicht, ich lasse mich ja nicht später fragen, ob ich deppert bin." Die Patientenaufklärung durch den Chirurgen etwas rustikal (endoskopisch operieren ist "Blödsinn", etc.), aber ich kann das einordnen und immerhin ist es sehr offen.
Die auffallende Diskrepanz ist die vorsichtige Diagnose und die maximal aggressive Therapie als einziger Therapievorschlag. Darum wollte ich in einer renommierten Einrichtung eine zweite Meinung einholen, in erster Linie aber mehr Information bekommen über die Erkrankung, deren Prognose und eventuelle Therapiealternativen. Die Aufklärung war speditiv, nicht einmal eine Sitzgelegenheit hat man mir angeboten. "Ich weiß überhaupt nicht, was Sie wollen. Wollen Sie zu denen gehören, die zehn oder zwanzig Jahre später Lungen- oder Gehirnmetastasen haben??" Das ist nun nicht objektiv und nicht lege artis, da bin ich mir ziemlich sicher.
Natürlich habe ich parallel "Tante Google" (wie man abschätzig sagte) konsultiert und meine Irritation geht nicht weg. Die Skepsis gegenüber der radikalen Therapie (bei einem relativ gutmütigen differenziertem Karzinom) wird auch innerhalb der Ärzteschaft artikuliert und es gibt professionelle Studien.
Nun meine Wünsche: 1. BITTE keine Ratschläge, ich will Informationen, die mir immer noch fehlen (idealerweise mit Referenz auf Quellen). Ich will Risiken quantitativ vergleichen können, deren Bewertung ist meine und nur meine Sache. Sollte es beispielsweise zu einer Stimmbandnervverletzung kommen, bin ich bei meinem Beruf Vollinvalide. Ich bin nicht ganz ohne fachliche Vorbildung und verstehe das schon.
2. Ist es richtig, dass die Wahrscheinlichkeit, dass der Tumor gutartig ist, noch immer bei etwa 90% liegt?
3. Ist es zutreffend, dass auch weitere Untersuchungen (welche?), kaum ein klareres Bild bringen würden?
4. Die Leitlinien sagen, dass ein "Staging" nach TNM-Muster gemacht werden soll zur objektiven Beurteilung. Ich sehe nichts Derartiges. Wird das ex post gemacht, und wenn ja, was hat es dann für einen Sinn?
5. Hat unter vergleichbaren Bedingungen jemand eine konservative Therapie angeboten bekommen, etwa eine Hemithyreoidektomie?
6. Hat überhaupt jemand eine eindeutige FNP-Diagnose bekommen, dass das Gewebe gutartig sei? Was heißt im Mediziner-Jargon "gut möglich"?
7. Ich lese, dass die FNP der "Goldstandard" bei der Diagnose sei. Gilt das auch angesichts der anderen Befunddetails oben?
8. Ist es zutreffend, dass eine totale Schilddrüsenentfernung zwar eine geringere Rezidivrate bringt (als Hemi), aber keine signifikant höhere Überlebensrate?
9. Aus Gründen der persönlichen Lebensplanung ist die Abhängigkeit von einer kontinuierlichen Hormoneinnahme für mich nicht unproblematisch. Hat jemand Erfahrung damit, was es bedeutet, wenn man beispielsweise während einer längeren Fernreise länger keinen Zugang zu Präparaten haben sollte?
10. Aus fachlicher Neugier: Warum ist die Therapie immer Chirurgie und nicht beispielsweise Brachytherapie (wie zB bei der Prostata)?
11. Die Radioiodtherapie ist bei einem szintigrafisch kalten Knoten ja unlogisch, offenbar wird nicht der Tumor, sondern das Organ insgesamt bekämpft. Warum?
12. Die Entfernung des ganzen Organs ist irreversibel, die voraussichtliche Tumor-Wachstumsrate aber anscheinend niedrig. Somit stellt sich für mich auch die schwierige Frage, wie die Prognose für zukünftige konservativere Therapiemöglichkeiten ist, beispielsweise fortschrittliche spezifischere (Radio)Pharmazeutika.
13. Die Untersuchungen zogen sich über Monate, operieren wollte man sofort. Ich kann keinen Grund für Zeitdruck erkennen, gibt es einen?
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